ƒ}ƒbƒNƒXEƒEƒF[ƒo[
wƒqƒ“ƒhƒD[‹³“k•§‹³|’ŠE”@‹³‚ΜŒoΟ—Ο—‡U°x[‘ςG–σA“Œ—mŒoΟV•ρŽΠA2002”N


Indien ist und war, im Gegensatz zu China, ein Land der Doerfer und der denkbar unerschuettterlichsten geburtsstaendischen Gliederung. Aber zugleich ein Land des Handels, nicht nur des Binnen-, sondern gerade auch des Fernhandels, insbesondere nach dem Occident, wie es scheint seit altbabylonischer Zeit, und des Darlehenswuchers. Es hat in seinen Nordwestteilen unter einem immerhin fόhlbaren hellenischen Einfluss gestanden. Im Sueden waren fruehh Juden ansaesig. Im Nordwesten wanderten die persischen Zarathustrier ein, eine hier ganz dem Grosshandel zugewendete Schicht. Dann kam der Einfluss des Islam und die rationalistische Aufklaeung des Grossmoghuls Akbar. Unter den Grossmoghuls, und auch vorher mehrere Male, war ganz oder fast ganz Indien generationenlang eine politische Einheit. Dazwischen lagen stets wieder lange Perioden der Zersplittertheit in zahlreiche sich staendig bekriegende politische Herrschaften. Fuerrstliche Kriegfuehhrung, Politik und Finanzwirtschaft waren rational. Sie wurden literarisch, die Politik sogar vollendet "machiavellistisch", theoretisiert. Der Ritterkampf sowohl wie das disziplinierte und vom Fuerrsten equipierte Heer haben ihre Zeit gehabt. Die Verwendung der Artillerie hat allerdings nicht, wie gelegentlich behauptet wurde, hier zuerst, aber doch fruehhzeitig, sich entwickelt.[Max Weber: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Max Weber: Gesammelte Werke, S. 6443 (vgl. Weber-RS Bd. 2, S. 1-3)]


Staatsglaeubigertum, Steuerpaechtertum, Staatslieferantentum, Verkehrsmonopole usw. waren ganz nach patrimonialer occidentaler Art entstanden. Die Staedteentwicklung naeherte sich jahrhundertelang in wichtigen Punkten, wie wir sehen werden, mittelalterlichen occidentalen Erscheinungen. Das heutige rationale Zahlensystem, die technische Grundlage aller "Rechenhaftigkeit", ist indischen Ursprungs2.
Die Inder haben, im Gegensatz zu China, rationale Wissenschaft (darunter Mathematik und Grammatik) gepflegt. Sie haben die Entwicklungzahlreicher philosophischer Schulen und religioeser Sekten von fast allen ueberhaupt moeglichen soziologischen Typen erlebt. Zum grossen Teil waren sie auf dem Boden eines penetranten intellektualistischen und dabei systematisch rationalen Beduerfnisses erwachsen, welches sich der allerverschiedensten Lebensgebiete bemaechtigte.
Die Toleranz gegen religioese und philosophische Lehrmeinungen war in grossen Zeitraeumen nahezu absolut, jedenfalls ungleich groesser als irgendwo im Occident vor der allerneusten Zeit.
Das indische Recht weist zahlreiche Bildungen auf, welche fuerr kapitalistische Beduerfnisse ebenso brauchbare Ansatzpunkte geboten haetten, wie die entsprechenden Institutionen unserer mittelalterlichen Rechtsentwicklung.
Die Autonomie der Haendlerschicht in der Rechtsschaeffung war mindestens so gross wie diejenige unseres Mittelalters. Die indischen Handwerkerleistungen und die Spezialisierung der Gewerbe waren sehr hoch entwickelt. Der Erwerbstrieb der Inder aller Schichten hat wahrlich nie zu wuennschen uebrig gelassen und nirgends bestand so wenig Antichrematismus und so hohe Schaetzung des Reichtums.
Moderner Kapitalismus ist innerhalb des Indertums aber weder frueher noch in den Jahrhunderten englischer Herrschaft entstanden, sondern erst Importprodukt. Er ist als fertiges Artefakt uebbernommen worden, ohne autochthone Anknueppfungspunkte vorzufinden. Hier soll nun unter-
[Max Weber: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Max Weber: Gesammelte Werke, S. 6445 (vgl. Weber-RS Bd. 2, S. 3-4)]