アウシュヴィッツ裁判:
コンラート・モルゲンの尋問調書
(親衛隊裁判官だった人物、コッホの汚職事件を摘発、大量の金の延べ棒の摘発→アウシュヴィッツ現地調査→ガス室の存在を知る)
25.
Verhandlungstag, 9.3.1964
Vernehmung des
Zeugen Konrad Morgen
Audio (3:22,47) -
siehe auch Abschnitt Hörbeispiele
Vorsitzender
Richter:
Sie sollen hier als Zeuge
vernommen werden. Ich muß Sie meiner Pflicht gemäß auf die Bedeutung und die Wichtigkeit
des Eides aufmerksam machen, Sie vor den Strafen des Meineides verwarnen. Ihre
Aussage bezieht sich auch auf Ihre Personalien, also auf die Angaben über Ihre
Person. Wir wollen als Gedächtnisstütze für das Gericht Ihre Aussage mit auf
Band aufnehmen, und ich möchte Ihnen das vorher sagen. Herr Doktor Morgen, Sie
heißen mit Vornamen Konrad?
Zeuge Konrad
Morgen:
Ja.
Vorsitzender
Richter:
Doktor Morgen,
Rechtsanwalt. Sie sind wie alt?
Zeuge Konrad
Morgen:
54 Jahre.
Vorsitzender
Richter:
Sie wohnen in Frankfurt und
sind verheiratet.
Zeuge Konrad
Morgen:
Ja.
Vorsitzender
Richter:
Mit den Angeklagten sind
Sie nicht verwandt und nicht verschwägert.
Zeuge Konrad
Morgen:
Nein.
Vorsitzender
Richter:
Herr Doktor Morgen, Sie
sind hier jetzt wiederholt genannt worden, und zwar als Richter bei der SS, als
SS-Richter, der verschiedene Untersuchungen vorgenommen hat, und zwar
Untersuchungen nicht nur in Auschwitz, sondern auch in anderen Lagern. Vielleicht
können Sie uns mit einigen Worten sagen, wieso es zu diesen Untersuchungen
gekommen ist, aber dann in erster Linie Ihr Interesse richten auf die
Untersuchungen im Lager Auschwitz, die uns ja hier hauptsächlich von Bedeutung
sind, uns dann sagen, was Sie dort an Mißständen gesehen haben und was Sie
veranlaßt haben.[...]
Zeuge Konrad
Morgen:
Ich war als SS-Richter der
Reserve etwa im Mai 1943 zum Reichskriminalpolizeiamt, Gruppe B, zur Bekämpfung
von Kapitalverbrechen abkommandiert worden1 und hatte einen ersten Auftrag in
Weimar auszuführen. Dort hörte ich in der Bevölkerung Gerüchte, daß anläßlich
der »Juden-Akti on«,
1938 glaube ich, sich viele bereichert hätten und daß auch ein gewisser
Verdacht auf dem Kommandanten, dem Standartenführer Koch, ruhe.2
Ich habe diese Fragen mit
Behördenvertretern gesprächsweise erörtert und mußte dann sowohl von seiten der
Polizei wie auch der Gestapo, dem Bürgermeister, der Vertreter der Regierung
dieselben Beobachtungen oder Verdachtsgründe bestätigt hören. Und das ließ mir
keine Ruhe, und ich bin von mir aus - zunächst ohne jeden Auftrag, außerhalb
der mir gesetzten Untersuchung - der Sache nachgegangen und habe dann bei einer
Überprüfung der Konten des Standartenführers Koch, die er bei einer Bank
unterhielt, festgestellt, daß dieser sich im größten Umfange bereichert hat.
Ich
habe darüber dem zuständigen Gerichtsherrn, dem das Konzentrationslager
zugehörte, dem Fürsten von Waldeck, Bericht erstattet. Und der sagte mir auch,
daß Standartenführer Koch ihm sehr verdächtig sei und daß er seinerzeit ein
Verfahren gegen ihn, ein gerichtliches Verfahren, eingeleitet hatte, daß er
aber auf Befehl des Reichsführers SS, Himmler, Koch nach zwei Tagen schon aus
der Haft entlassen mußte und schwer gerügt wurde. Er sagte mir für diese
Untersuchung seine vollste Unterstützung zu, und ich berichtete in Berlin und
bekam zu meiner großen Überraschung den Auftrag, die Verfehlungen des
Standartenführers Koch aufzuklären. Ich habe Standartenführer Koch und seine
Frau Ilse Koch, dann später den Lagerarzt Doktor Hoven, den Bunkerwart, den
Hauptscharführer Sommer verhaftet und angeklagt. Koch wurde bekanntlich
deswegen, unter anderem wegen Mordes, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die
Untersuchung
Vorsitzender
Richter [unterbricht]:
War das noch vor Beendigung
des Krieges? Die Hinrichtung von dem Standartenführer Koch?
Zeuge Konrad
Morgen:
Ja. Standartenführer Koch,
ja. Die Untersuchungen, die dehnten sich zwangsläufig auf andere
Konzentrationslager aus. Denn Koch galt bis dato als ein Musterkommandant, und
zu ihm wurden sehr viele SS-Leute und -Führer zur Ausbildung hingeschickt und
nachher in andere Konzentrationslager versetzt. Eine Zeitlang hatte er auch das
Konzentrationslager Lublin aufgebaut und geführt. Und so dehnten sich diese
Untersuchungen wegen dieser Verdächtigungen, die in Buchenwald angefallen
waren, auf diese anderen Lager aus.
Für
die zuständigen SS- und Polizeigerichte waren Verfahren gegen Angehörige von
Konzentrationslagern ein heißes Eisen. Und nachdem nun mal von mir diese
Bresche geschlagen worden war,
[Das Verfahren:
25. Verhandlungstag (09.03.1964). Der 1. Frankfurter Auschwitz-Prozeß, S. 5556
(vgl. AP011.028, S. 0 ff.)]
möchte sagen, so auf allgemeinen Wunsch hin, war man froh, daß man
jemand hatte. Und nachdem ich also nun so ein Spezialist für
Konzentrationslagerverbrecher geworden war, erhielt ich durch allgemeines
Rundschreiben den Auftrag, größere und wichtigere Verbrechenskomplexe in
Konzentrationslagern zu untersuchen. Das heißt, die SS- und Polizeigerichte
sind angewiesen worden, derartige Fälle an mich als Untersuchungsführer
abzugeben. [Pause]
Nun zum Komplex
Auschwitz: Meine Untersuchungen im Konzentrationslager Auschwitz wurden
ausgelöst durch ein Feldpostpäckchen. Es war ein etwas
kleineres, mehr langes als schmales Paket, gewöhnlicher Karton, das
wahrscheinlich wegen seines ungeheuren Gewichtes bei der Feldpost aufgefallen
war, und wegen seines Inhalts hatte ihn die Zollfahndung beschlagnahmt. Es
enthielt nämlich drei Klumpen mit Gold. Gold war eine Devise,
ablieferungspflichtig, und so ergab sich die Beschlagnahme durch die Zollfahndung.
Absender war ein SDG, das heißt ein Sanitätsdienstgrad des Konzentrationslagers
Auschwitz, und adressiert war dieses Paket an seine Frau. Er unterstand damit
der SS- und Polizeigerichtsbarkeit, und mir wurde diese beschlagnahmte Sendung
mit einem kurzen Anschreiben - »zur weiteren Veranlassung«, glaube ich, hieß es -
zugeleitet.
金歯の金を溶かした延べ棒
Bei
dem Gold handelte es sich um hochkarätiges Zahngold, das in einer
primitiven Weise zusammengeschmolzen war. Es war ein sehr großer Klumpen,
vielleicht in der Größe von zwei Fäusten, der andere war wesentlich kleiner,
der dritte mehr unbedeutend. Aber immerhin, es war eine ganze Anzahl von Kilos.
Ehe ich nun weiter etwas veranlaßte, überlegte ich mir die Sache. Zunächst war
die Dreistigkeit, mit der hier der mir bis dahin unbekannte Täter vorgegangen
war, verblüffend. Und es schien sich hier um eine ausgemachte Dummheit zu
handeln. Aber je länger ich über die Sache nachdachte, glaubte ich, daß eine
solche Auffassung den Täter unterschätzte. Denn immerhin: Bei Hunderttausenden
von Feldpostpäckchen war die Chance sehr gering, daß nun ausgerechnet diese
gefährliche Sendung beschlagnahmt und entdeckt werden würde. Sondern hier
schien mir ein Zug einer raffinierten Primitivität und einer skrupellosen
Rücksichtslosigkeit bei dem Täter vorzuwalten, ein Zug, der sich dann bei
meinen späteren Ermittlungen im Konzentrationslager Auschwitz als richtig
erweisen sollte. Denn nach dieser Methode wurde da eigentlich durchweg
gearbeitet. Meine weitere Überlegung, die jagte mir allerdings einen nicht
geringen Schauder den Rücken herun ter, denn ein [Kilogramm] Gold besteht ja aus
1.000 Gramm.
火葬場
死体焼却で出た金
Ich wußte, daß die
Zahnstationen der Konzentrationslager beauftragt waren, in den Krematorien
das dort anfallende Gold der Leichenverbrennung
zu sammeln und an die Reichsbank abzuführen. Und eine Goldplombe, das sind ja
nur wenige Gramm. 1.000 Gramm oder mehrere Tausend Gramm bedeuteten also den
Tod von mehreren Tausend Menschen. Aber es trägt ja nicht jeder Goldplomben,
sondern in der damaligen, doch sehr armen Zeit nur ein gewisser Bruchteil. Und
je nachdem, wie man schätzte, ob jeder Zwanzigste oder Fünfzigste oder
Hundertste Gold im Mund trug, mußte man diese Zahl damit multiplizieren, und so
stellte eigentlich diese beschlagnahmte Sendung sozusagen den Gegenwert von
Zwanzig-, Fünfzig- oder Hunderttausenden von Leichen dar. [Pause] Ein
erschütternder Gedanke. Aber das geradezu Unfaßbare daran war, daß der Täter
unbemerkt derartig bedeutende Mengen beiseite bringen konnte. Und so wenig die
Tat des Angeklagten aufgefallen war, so schloß ich weiter, so wenig konnte es
da auffallen, daß da 50.000 oder 100.000 Menschen verschwunden und verascht
worden waren. Eine natürliche Todesursache konnte hier ja nicht obwalten,
sondern die Menschen, die mußten hier er mordet worden sein.
アウシュヴィッツ現地調査
Unter diesem
Gesichtspunkt erfaßte ich erstmals, daß dieses damals kaum bekannte Auschwitz,
dessen geographische Lage ich mit einigen Schwierigkeiten auf der Karte suchen
mußte, eine der größten Menschenvernichtungsstätten sein mußte,
die überhaupt die Welt gesehen hatte. [Pause] Ich hätte diesen Vorgang der
beschlagnahmten Goldsendung sehr einfach erledigen können. Die Beweisstücke waren ja nun überzeugend. Ich hätte
den Täter verhaften lassen können und anklagen, und damit war der Sachverhalt
erledigt. Aber nach meinen Überlegungen, die ich Ihnen kurz geschildert habe,
mußte ich unbedingt mir das ansehen. Und ich fuhr deshalb, so schnell ich
konnte, nach Auschwitz, um die Untersuchungen an Ort
und Stelle zu führen.
So stand ich dann an
einem Vormittag auf dem Bahnhof in Auschwitz. Man erwartet unwillkürlich von
einer Stätte, in der sich Ungeheuerliches, Unsagbares, Unvorstellbares vollzieht,
daß irgendwie da Spuren sichtbar sein müßten, eine besondere Atmosphäre. Ich
blieb deshalb längere Zeit auf dem Bahnhof stehen, um da irgend etwas zu sehen.
Aber Auschwitz war eine kleine Stadt mit einem sehr großen Durchgangs- und
Verschiebebahnhof, etwa wie Bebra. Es gingen dauernd Züge durch,
Truppentransporte nach dem Osten, Verwundeten
[Das Verfahren:
25. Verhandlungstag (09.03.1964). Der 1. Frankfurter Auschwitz-Prozeß, S. 5560
(vgl. AP011.036, S. 0 ff.)]
transporte
kamen zurück, Kohlenzüge, Erzzüge, Güterzüge, auch Personenzüge. Die Menschen,
die stiegen da aus, die jungen lustig, die älteren mürrisch, abgearbeitet, als
wäre es die alltäglichste Sache von der Welt. Ich sah auch Häftlingstransporte
in gestreiften Anzügen. Aber die gingen von Auschwitz weg, es kam keiner an.
Nun, das Konzentrationslager war nicht zu übersehen, aber von außen bot es
auch nur den Anblick, den man von Kriegsgefangenenlagern oder anderen
Konzentrationslagern gewohnt war: hohe Mauern, Stacheldraht, Wachtürme, Posten,
die auf und ab gingen. Ein Tor, ein geschäftiges Treiben der Häftlinge, aber
sonst nichts Auffälliges. Ich meldete mich bei dem Kommandanten, dem
Standartenführer3 Höß, ein etwas untersetzter, sehr wortkarger, einsilbiger
Mann mit einem steinernen Gesicht. Ich hatte ihm meine Ankunft bereits durch
Fernschreiben mitgeteilt und eröffnete ihm, daß ich hier Untersuchungen zu
führen hätte. Er sagte etwa dem Sinne nach, daß ihnen eine ungeheuer harte
Aufgabe übertragen sei, und dieser Aufgabe seien charakterlich nicht alle
gewachsen. Er fragte dann kurz, wie ich beginnen wolle. Ich sagte ihm, ich
müßte zunächst mal das ganze Lager besichtigen. Ehe ich eine Untersuchung in
einem Konzentrationslager begann, habe ich mir das Lager allgemein und ins besondere seine
Schwerpunkte da angesehen. Er sah kurz auf den Dienstplan, telefonierte, und es
kam dann ein Hauptsturmführer. Und den wies er an, mich mit einem Wagen durch
das Gelände zu fahren und mir alles zu zeigen, was ich sehen wollte. Ich fing
mit dem Anfang vom Ende an, nämlich der Rampe in Birkenau. [Pause]
アウシュヴィッツ市内の貨物降ろし場
男女分離
ラビを呼び出し選別・・・世界中にアウシュヴィツから手紙・はがきを書かせる・・・アウシュヴィッツの安全性を世界に宣伝するため。
Die Rampe sah aus wie
jede andere Rampe auf einem Güterbahnhof auch. Es war nichts besonderes daran
festzustellen, und es waren auch gar keine besonderen Vorkehrungen irgendwie
getroffen. Ich fragte deshalb meinen Führer, wie das nun vor sich ginge. Er
erklärte mir, daß ein Transport, meistens Juden,
vom Bahnhof, kurz vor der Ankunft, vorm Einlaufen in Auschwitz, dem Lager
gemeldet wird. Darauf rückte eine Wachmannschaft aus, sperrte die Gleise und
die Rampe ab. Dann wurden die Türen der Waggons geöffnet, die Ankömmlinge
mußten aussteigen und ihr Gepäck absetzen. Männer und Frauen mußten sich
getrennt aufstellen, und dann, erklärte er mir, würde zunächst nach Rabbinern
gefragt. Rabbiner und sonstige bedeutende jüdische Persönlichkeiten wurden
sofort ausgesondert, ins Lager gebracht, in eine Baracke, die sie für sich
hatten. Ich habe sie später gesehen, es stimmte. Gut gehalten, sie brauchten
nicht zu arbeiten, es wurde erwartet, daß sie möglichst viele Briefe und
Postkartengrüße in alle Welt von Auschwitz schickten, um damit von vornherein
jeden Verdacht, daß hier irgend so etwas Greuliches vor sich gehe, zu
zerstreuen.
次に選別されるのは、収容所が必要とする熟練労働者
Danach fragte man nach
Spezialisten, die das Lager brauchte - das Lager war ja mit großen
Industriebetrieben verbunden -, die suchte man dann vorher aus.
それ以外は、労働能力があるものと労働不能のものとに分けられる。
Und der Rest, der wurde dann nach arbeitsfähig,
arbeitsunfähig getrennt.
労働能力あるものは、アウシュヴィッツ収容所に徒歩で行進。通常の正規の囚人として収容される。
Die Arbeitsfähigen marschierten zu Fuß in das Lager
Auschwitz, wurden dort regulär als Häftlinge aufgenommen, eingekleidet,
eingeteilt.
そのほかのものは、貨物自動車に乗せられてビルケナウに運ばれる。そして、ガス室へ。
Die andere Gruppe mußte auf Lastwagen Platz nehmen
und ging sofort, ohne daß eine namentliche Feststellung erfolgte, in
die Gaskammern nach Birkenau. Als schwarzen Witz erzählte mir mein
Begleiter, daß, wenn man keine Zeit habe oder kein Arzt da sei, zu viele
Ankömmlinge da seien, daß man dann auch gelegentlich ein Verfahren abkürze, man
den Ankömmlingen dann sagte, in höflichen Worten, das Lager wäre doch einige
Kilometer entfernt, und wer sich zu krank oder zu schwach [+ fühle] oder wem
das Gehen zu unbequem sei, der könne auch hier von der Fahrgelegenheit, die das
Lager bereitgestellt habe, Gebrauch machen. Darauf setzte dann ein
Massenansturm auf die Fahrzeuge ein. Und nur diejenigen, die nicht mitkamen,
die konnten dann in das Lager marschieren, während die anderen unbewußt
den Tod gewählt hatten. [Pause]
Von der Rampe folgten
wir der Spur der Todesfrachten zum Lager Birkenau, es lag einige Kilometer
entfernt. Äußerlich war da auch nichts Auffälliges zu sehen: großer
Maschendrahtzaun, etwas windschief, mit einem Posten. Dahinter lag das
sogenannte Lager »Kanada«, wo die Effekten der Opfer durchsucht, geordnet,
weiterverwandt wurden. Man sah von den letzten Transporten noch einen Haufen
aufgebrochener Koffer, Wäschestücke, Aktentaschen, aber auch ganze
Zahnarzteinrichtungen, Schustereinrichtungen, Medikamententaschen liegen.
Offensichtlich waren die sogenannten Evakuierten wirklich der Auffassung, sie
würden im Osten, wie man es ihnen gesagt hatte, angesiedelt und fänden dort
eine neue Existenz, und hatten dann das Notwendige dazu mitgebracht. [Pause]
火葬場
Und dahinter lagen dann die Krematorien. Es waren einstöckige Hallen mit
Satteldächern, die genausogut Werkschuppen oder kleine Werkstätten hätten sein
können. Selbst die sehr breiten und massiven Schornsteine brauchten dem Laien
nicht weiter aufzufallen, denn sie waren sehr niedrig, sie endeten kurz über
dem Dach. Auf der Seite, wo die Lkws anfuhren, war der Boden schräg vertieft,
etwa
[Das Verfahren:
25. Verhandlungstag (09.03.1964). Der 1. Frankfurter Auschwitz-Prozeß, S. 5564
(vgl. AP011.044, S. 0 ff.)]
in Schulhofgröße, mit Schlacke bestreut und kurz abgestellt. Da fuhren die rein, so daß also ein Außenstehender, der diese Lastwagenkolonne sah, dann plötzlich nur feststellte, daß die in einer Bodensenkung verschwunden waren, ohne daß er aber nun feststellen konnte, wo die Transportierten abgeblieben waren - auch wieder eine dieser raffinierten, im Grunde aber primitiven Vorsichtsmaßnahmen, die man als roten Faden durch die ganze Organisation immer wieder feststellen konnte. [Pause] In dem Hof war ein Rudel, muß man sagen, jüdischer Häftlinge mit gelbem Stern, mit ihrem Kapo, der einen langen Knüppel trug, und die uns sofort umkreisten. Sie liefen dauernd so im Kreise da herum, gegenwärtig jeden Befehls und nach jedem Blick haschend. Und es schoß mir so durch den Kopf: Die verhalten sich ja genauso wie ein Rudel Schäferhunde. Und das sagte ich dann auch da meinem Begleiter, der darüber lachte und sagte, ja, das wäre auch die Aufgabe. Die Todesopfer, die sollten zunächst mal, indem sie also ihre Glaubensgenossen da sahen, Vertrauen haben. Und dieses Kommando hatte auch Anweisung, ja nicht die Ankömmlinge zu schlagen. Es sollte alles vermieden werden, damit keine Panik ausbricht. Sondern man sollte denen ein bißchen Angst und Respekt machen, im übrigen aber eben nur dasein und die da hinleiten und -führen, wo man sie haben wollte.
Hinter dem Hof war ein
großes Tor, das in die sogenannten Umkleidungsräume führte, ähnlich wie die
Auskleidehalle von einer Turnhalle. Einfache Holzbänke standen da, mit
Kleiderrechen, und auffälligerweise war jeder Platz numeriert, trug auch eine
Garderobenmarke. Und man schärfte noch den Opfern ein, ja acht auf ihre
Garderobe zu geben, die Garderobenmarke festzuhalten - alles, um bis zur
buchstäblich letzten Sekunde nicht den geringsten Verdacht aufkommen zu lassen
und die Todesopfer ahnungslos in die gestellte Falle zu bringen.
「シャワー室へ」の指示板(矢印)
Dann an der Wand war ein
großer Pfeil, der in einen Gang wies, und darauf stand kurz und bündig: »Zu
den Duschräumen«, und das wurde in sechs oder sieben Sprachen
wiederholt.
脱衣し、シャワーを浴び、害虫駆除すべし
Man sagte denen also: Ihr kleidet euch aus und
werdet geduscht und desinfiziert.
屋根からガス投下、結晶体のツィクロンB
Und an diesem Gang lagen dann verschiedene Kammern
ohne jede Einrichtung, kahl, nackt, Zementfußboden. Auffällig und zunächst unerklärlich
war nur, daß in der Mitte ein vergitterter Schacht stand, der bis zur Decke
führte. Ich hatte zunächst dafür keine Erklärung, bis man mir sagte, daß durch
eine Öffnung vom Dach aus Gas, und zwar in kristalliner Form, das
Zyklon B, in diese Todeskammern gegossen würde.
この瞬間まで囚人はなにも気づかない。気づいたときはもちろん遅すぎる。
Bis zu diesem Moment war also der Häftling
ahnungslos, und dann war es natürlich zu spät.
ガス室の反対側に死体運搬エレベーター
Gegenüber den Gaskammern lagen die
Leichenaufzüge, und diese führten dann nun in den ersten Stock oder, von der
anderen Seite aus gesehen, in das ebenerdige Geschoß. [Pause]
本来の火葬場は大きなホール・・・長く一列に火葬の炉
Das eigentliche Krematorium war ein riesiger Saal,
an dessen einer Seite in langer Reihe die Krematoriumsöfen standen, mit
geplättetem Fußboden, alles atmete eine sachliche, neutrale, technische,
wertfreie Atmosphäre aus. Es war alles spiegelblank, geleckt, und einige
Häftlinge in Monteuranzügen, die polierten da ihre Armaturen, machten sich da
künstlich Bewegung. Sonst war alles still und leer.
Nachdem ich diese
äußeren Einrichtungen gesehen hatte und irgendwie SS gar nicht in Erscheinung
getreten war, interessierte mich natürlich, nun mal die SS-Leute zu sehen und
kennenzulernen, die diesen ganzen Apparat da verwalteten und in Betrieb
hielten. Es wurde mir dann ein kurzer Blick in die sogenannte Wachstube des Lagers
Birkenau gestattet, und hier habe ich dann zum ersten
Mal einen wirklichen Schock erlitten. Sie wissen, eine militärische
Wachstube, die zeichnet sich bei sämtlichen Armeen der Welt durch eine
spartanische Einfachheit aus. Es steht da ein Schreibtisch, es hängen
Anschläge, es sind da einige Pritschen da für diejenigen, die da abgelöst werden,
Schreibtisch und Telefon. Aber das hier war anders. Es war ein niedriger, etwas
schummriger Raum, und da standen bunt zusammengewürfelte Couchen herum. Und auf
diesen Couchen, da lagen malerisch einige SS-Leute, meistens untere
Führerdienstgrade, und dösten da mit glasigen Augen vor sich hin. Ich hatte den
Eindruck, daß sie die Nacht vorher ziemlich viel Alkohol genossen haben mußten.
4-5人の美人のユダヤ人ユダヤ人少女・・・給仕・・・・何千人ものユダヤ人を処理する前の親衛隊員の「歓待」
Statt eines Schreibtisches
stand ein riesiger Hotelherd da, und auf diesem buken vier, fünf junge Mädchen
Kartoffelpuffer. Es waren offensichtlich Jüdinnen, sehr schöne, orientalische
Schönheiten, vollbusig, feurige Augen, trugen auch keine Häftlingskleider,
sondern normales, ganz kokettes Zivil. Und die brachten nun ihren Paschas, die
auf den Couchen da rumlagen und dösten, die Kartoffelpuffer und fragten
besorgt, ob auch genügend Zucker darauf war, und fütterten die. [Pause] Keiner
nahm von mir und meinem Begleiter - immerhin also doch einem Hauptmann4 -
Notiz. Es wurde keine Meldung gemacht, es ließ sich keiner stören. Und ich
glaubte, meinen Ohren nicht zu trauen: Diese weiblichen
Häftlinge und die SS, die duzten sich gegenseitig. Ich muß also wohl
ziemlich entgeistert meinen Begleiter angeschaut haben. Der zuckte nur die
Achseln und sagte: »Die Männer haben eine
[Das Verfahren:
25. Verhandlungstag (09.03.1964). Der 1. Frankfurter Auschwitz-Prozeß, S. 5568
(vgl. AP011.053, S. 0 ff.)]
schwere Nacht hinter sich. Sie hatten einige Transporte abzufertigen.«
Ich glaube, so drückte er sich aus. Das bedeutete also,
daß in der Nacht, während ich da im Zuge stehend nach Auschwitz fuhr, einige
Tausend Menschen, einige Zugladungen voll hier vergast und verascht worden
waren. Und von diesen Tausenden von Menschen, da war auch nicht das
Stäubchen auf einer Ofenarmatur übriggeblieben. [Pause]
Nachdem ich also in
Birkenau alles gesehen hatte, was es zu sehen gab, habe ich dann einen Rundgang
durch das Lager gemacht. Was man da so auf die Schnelle gezeigt bekommt:
irgendeine gut ausgesuchte Häftlingsstube oder -baracke, Kultureinrichtungen
des Lagers, die es auch gab, [Pause] der Krankenbau. Und dann ließ ich mich
natürlich in den sogenannten Bunker unter anderem auch führen, und dabei wurde
mir ganz offen und mit größter Bereitwilligkeit die sogenannte Schwarze Wand
gezeigt, wo die Erschießungen stattfanden. [Pause]
Nachdem ich das Lager
besichtigt hatte - es war mittlerweile Spätnachmittag geworden -, da schritt
ich nun zur Aktion und ließ das ganze SS-Krematoriumskommando in seiner
Unterkunft vor den Spinden antreten und nahm eine Durchsuchung vor. Und wie ich
mir es gedacht hatte, kam dann da einiges zum Vorschein: goldene Ringe,
Münzen, Ketten, Kettchen, Perlen, so ziemlich sämtliche Währungen der Welt. Bei
dem einen wenig »Souvenirs«, wie der Betreffende sagte, bei dem anderen ein
kleines Vermögen. Was ich aber nicht erwartet hatte, war, daß aus einem der
zwei Spinde mir die Geschlechtsteile frisch geschlachteter Bullen
entgegenfielen. Ich war zunächst völlig entgeistert und konnte mir also den
Verwendungszweck nicht vorstellen. Bis mir der betreffende Spindinhaber
errötend - tatsächlich, das gab es -, dann gestand, daß man sich das besorge
zur Auffrischung der eigenen sexuellen Potenz. [Pause] Nachdem ich also diese
Durchsuchung vorgenommen und damit ziemlich das ganze Krematoriumskommando da
festgenagelt, kurz vernommen hatte, war der Tag zu Ende. Und ich begab mich
dann in meine Unterkunft. [Pause]
Verständlicherweise
konnte ich in dieser Nacht kein Auge schließen, obwohl ich da schon einiges in
Konzentrationslagern gesehen hatte, aber so etwas nun doch noch nicht. Und ich
überlegte mir, was nun dagegen unternommen werden könnte. Der Laie neigt ja nun
angesichts der scheinbaren Machtfülle eines Richters, eines Staatsanwaltes
dazu, die Frage zu stellen: Warum hast du denn die Verantwortlichen, und zwar
an höchster Stelle be
findlichen, nicht sofort verhaftet und denen dieser entsetzlichen
Verbrechen [+ wegen] den Prozeß gemacht? Ich darf die Laienbeisitzer zunächst
daran erinnern, daß ja kein Richter außerhalb der Hauptverhandlung einer
Strafsache die Macht hat, eine Verhaftung vorzunehmen. Sondern er ist darauf angewiesen,
daß der zuständige Staatsanwalt einen Haftantrag stellt. Der Staatsanwalt muß
in wichtigen Sachen seinem Vorgesetzten, dem Oberstaatsanwalt, dem
Generalstaatsanwalt oder dem Bundesanwalt oder dem Justizminister berichten.
Die Staatsanwaltschaft ist eine bürokratische Behörde, die weisungsgebunden
ist, und es kann nicht irgendein Hilfsarbeiter einer Staatsanwaltschaft einfach
den Antrag stellen, irgendwie eine bedeutende Persönlichkeit zu verhaften.
Bei der SS- und
Polizeigerichtsbarkeit lagen nun die Dinge ganz anders. Die SS- und
Polizeigerichtsbarkeit war ja Kriegsgerichtsbarkeit, neben der
Kriegsgerichtsbarkeit des Heeres, der Marine, der Luftwaffe, die
Kriegsgerichtsbarkeit des vierten Wehrmachtsteiles, nämlich der Waffen-SS und
der Polizei in besonderem Einsatz. Die Kriegsgerichtsbarkeit ist ein Ausfluß
der militärischen Kommandogewalt, von dieser abgeleitet und abhängig. Alle
wichtigen Funktionen, die sonst das Gericht, mit unabhängigen Richtern besetzt,
ausübt, liegen in
den Händen des sogenannten Gerichtsherrn, das heißt des kommandierenden
Generals. Und über ihm der Korps-, der Armeegeneral und als oberster
Gerichtsherr der Oberbefehlshaber der Wehrmacht, damals Hitler. Der
Gerichtsherr fertigt, unterschreibt einen Haftbefehl. Der Gerichtsherr ordnet
die Eröffnung eines Verfahrens an. Der Gerichtsherr besetzt das Kriegsgericht.
Er bestätigt oder verwirft Urteile, er ordnet die Vollstreckung an.
Um also nun gegen
Himmler oder Hitler, die Urheber dieser Verbrechen, vorgehen zu können,
gerichtlich vorgehen zu können, hätte ich also bei Hitler selbst oder bei
Himmler selbst einen Haftbefehl gegen sie selber beantragen müssen. Und selbst
wenn er gegen sich selbst ein Verfahren eröffnet hätte, wäre es unmöglich
gewesen, ein Gericht zusammenzustellen. Denn das Gericht mußte so besetzt sein:
mit einem Beisitzer als Laienbeisitzer im Range des Angeklagten und mit einem
Diensthöheren. Man hätte also einen Hitler als Beisitzer, einen Über-Hitler als
zweiten Beisitzer gebraucht. Also, Sie sehen daraus, das war absolut unmöglich.
Man mußte feststellen, daß Hitler sich in einem rechtsfreien Raum bewegte, in
dem sämtliche Schranken der Gewaltenteilung aufgehoben waren, und er
Reichskanzler, Reichspräsident, Oberbefehlshaber der Wehrmacht, oberster Gesetz
[Das Verfahren:
25. Verhandlungstag (09.03.1964). Der 1. Frankfurter Auschwitz-Prozeß, S. 5572
(vgl. AP011.062, S. 0 ff.)]