国家の超国家主義的思想と行動・・・それに対する民衆・国民の意識とその変化は?
丸山真男『現代政治の思想と行動』未来社以来、日本でも非常に関心の高いテーマ
From: Janosch Steuwer <janosch.steuwer@ruhr-uni-bochum.de>
Date: 28.05.2010
Subject: Tagber: German Society in the Nazi Era. "Volksgemeinschaft" between Ideological Projection and Social Practice
「ナチス時代のドイツ社会:イデオロギー的計画と社会的実践」
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Horst Möller /
Bernhard Gotto, Institut für Zeitgeschichte,
München/Berlin;
Andreas Gestrich / Martina Steber, Deutsches
Historisches
Institut London
25.03.2010-27.03.2010,
London
ロンドンのドイツ史研究所のシンポジウム
Bericht von:
Janosch Steuwer,
Ruhr-Universität Bochum
E-Mail:
<janosch.steuwer@ruhr-uni-bochum.de>
1979年5月に、「第三帝国の支配構造と社会」という国際会議開催。激しい論争。
Am Anfang dieser
Konferenz stand der Hinweis auf eine frühere: Im Mai
1979
veranstaltete das Deutsche Historische Institut London (DHIL) unter
dem Titel
"Herrschaftsstruktur und Gesellschaft des Dritten Reiches"
eine Tagung, die
vor allem durch ihre überaus heftigen und erbitterten
Auseinandersetzungen
in Erinnerung blieb.[1]
「意図主義」(意図派) 対 「機能主義」(機能派) の大論争。・・・会議後も、論争継続。
Die Konferenz bot
damals der Diskussion zwischen "Intentionalisten" und
"Funktionalisten" ein
Forum zur
direkten Auseinandersetzung, befeuerte damit aber auch selbst
die Debatte noch
weiter.[2] Nicht zuletzt trugen dazu die
Auseinandersetzungen
um die rückblickende Bewertung der Konferenz bei,
bei der vor allem
ein Vortrag allgemein lobenswert erschien:[3]
「民族共同体」の概念・・・「単なる宣伝上のものではなく、民衆のなかに現実性を持った」・・・これをめぐる論争。
Lothar Kettenacker
hatte sich dafür stark gemacht, "den Begriff der
'Volksgemeinschaft'
nicht bloß als Propagandaphrase abzutun", sondern
anzuerkennen,
dass diese über den "propagandistischen Rang hinaus für
die Bevölkerung
durchaus Realität besaß".[4] Was Ende der 1970er-Jahre
in der
polarisierten Auseinandersetzung zwischen "Intentionalisten" und
"Funktionalisten"
als vergleichsweise unstrittiger Befund galt,[5] ist
seit einigen
Jahren zum Gegenstand intensiver Diskussionen geworden,
denen nun
wiederum das DHIL in Kooperation mit dem Institut für
Zeitgeschichte
ein Forum zur direkten Auseinandersetzung bot.
Den Nutzen des
"Volksgemeinschafts"-Ansatzes für die NS-Forschung -
gerade im
deutsch-britischen Dialog - zu diskutieren, bildete denn auch
das übergeordnete
Tagungsinteresse, wie MARTINA STEBER (London) und
BERNHARD GOTTO
(München) in der Einleitung ausführten. Sie plädierten
dafür, "Volksgemeinschaft"
als "imaginierte Ordnung" zu verstehen, die
einen
handlungsleitenden Charakter besessen und deshalb die Gesellschaft
des
Nationalsozialismus entscheidend geprägt habe. Entsprechend müsse
die
gesellschaftliche Dynamik, die von der gleichermaßen utopische
Versprechung wie
politisches Programm bildenden "Volksgemeinschaft"
ausgegangen sei,
in unterschiedlichen Dimensionen - mit Blick auf
soziale
Distinktion und Ungleichheiten, auf gesellschaftliche Kohäsion,
auf Mechanismen
sozialen Wandels und auf die Einordnung in
längerfristige
Entwicklungen des 20. Jahrhunderts - ernst genommen
werden. Dabei
bilde die Anschlussfähigkeit an verschiedene theoretische
Zugänge und
Methoden eines der zentralen Potenziale des
"Volksgemeinschafts"-Ansatzes.
「民族共同体」という概念・・・しかし、現実は、ナチス社会の構造的不平等の存在、
ナチス社会においては、「階級」概念が意味を失い(失わせられ)、「人種」概念が前面に。
人々の意識から、「階級」意識が消し去られ、あるいはメンタリティーや生活スタイルでわずかの影響力しかもたなかった。
Entsprechend
verfolgten die Vorträge der Tagung unterschiedliche
Perspektiven.
Eine erste Gruppe von Vorträgen behandelte die
strukturellen
Ungleichheiten der Gesellschaft des Nationalsozialismus.
CLAUS-CHRISTIAN
SZEJNMANN (Loughborough) befasste sich in seinem Vortrag
mit den
Kategorien "Klasse"
und "Rasse" und argumentierte, dass "Klasse"
im Nationalsozialismus
deutlich an Bedeutung verloren habe. Zwar seien
die sozialen
Klassenverhältnisse weitgehend bestehen geblieben, hätten
aber auf
Einstellungen, Mentalitäten und Lebensstile nur noch wenig
Einfluss gehabt.
これに対して、「人種」が、支配的な意識として押し出される。
民族(人種)の中にあるものと、民族(人種)の外にあるものの間の厳格な区別・格差の意識が、強化される
Demgegenüber habe
"Rasse" gerade auf dieser Ebene einen
Wandel
produziert, in dem die Zeitgenossen - auch wenn eine
Gesinnungsrevolution
nicht erreicht worden sei - ihre soziale Umwelt
zunehmend mit
rassistischen Kategorien betrachtet hätten. Zu ähnlichen
Schlussfolgerungen
kam auch WINFRIED SÜß (Potsdam). Ausgehend von der
These, dass sich
mit der sozialen Ordnungsidee der "Volksgemeinschaft"
Praktiken der
Inklusion und Exklusion verbanden, fragte er nach der
Veränderung
bestehender und der Entstehung neuer sozialer
Ungleichheiten.
Auch Süß betonte die Persistenz sozialstruktureller
Ungleichheiten,
argumentierte aber, dass die zunehmende rassistische
Strukturierung
der Gesellschaft diese neu kontextualisiert und damit
auch deren
Charakter beeinflusst habe. ELIZABETH HARVEY (Nottingham)
richtete ihren
Blick auf die Veränderung von Geschlechterverhältnissen.
Gerade die
besetzten Gebiete Osteuropas boten ihrer Ansicht nach
Frauenaktivistinnen
neue Betätigungsfelder und Möglichkeiten, über
"Kameradschaft"
neue Formen der Solidarität zwischen den Geschlechtern
einzufordern.
Gleichzeitig sei das Geschlechterverhältnis in diesen
Gebieten
überlagert worden von der rassischen Trennung zwischen
Reichsdeutschen
und ansässigen Volksdeutschen, die ebenfalls den
Anspruch auf
Gleichberechtigung hätten erheben können, deren Verhältnis
aber ebenso
hierarchisch geblieben sei wie das zwischen den
Geschlechtern.
Eine zweite
Gruppe von Vorträgen rückte bestimmte soziale Gruppen und
ihre Stellung in
der Gesellschaft des Nationalsozialismus in den
Mittelpunkt und
thematisierte damit das Ausmaß gesellschaftlicher
Kohäsion der
1930er- und 1940er-Jahre. JILL STEPHENSON (Edinburgh)
fragte anhand der
ländlichen Regionen Württembergs danach, inwieweit der
mit der Idee der
"Volksgemeinschaft" verbundene Anspruch auf Ersetzung
bestehender
sozialer Gemeinschaften habe verwirklicht werden können. Mit
Blick auf die
Forschungsthese, die neuen Massenmedien hätten ein
gesamtgesellschaftliches
Gemeinschaftsgefühl hergestellt, wies sie
nachdrücklich auf
die beschränkten Möglichkeiten des Radio- und
Kinokonsums in
den ländlichen Gebieten hin. Auch in anderer Hinsicht
seien die
Versuche der nationalsozialistischen Beeinflussung der
ländlichen
Gesellschaften weitgehend erfolglos geblieben, so dass von
"Volksgemeinschafts"-Effekten
in Württemberg nicht gesprochen werden
könne. An ihren
Vortrag schloss inhaltlich das Referat von WILLI
OBERKROME
(Freiburg) an, der sich mit agrarsozialen Ordnungsmodellen des
Nationalsozialismus
auseinandersetzte. Vor dem Hintergrund der Diagnose
einer massiven
und zunehmenden Landflucht habe insbesondere die
Bestandssicherung
des "Landvolkes" eine zentrale Herausforderung
dargestellt, auf
die verschiedene nationalsozialistische
Ordnungsentwürfe
unterschiedlich reagiert hätten. Eine Realisierung
dieser
Konzeptionen, die auch die regimeadäquate Vergemeinschaftung der
ländlichen
Bevölkerung angestrebt hätten, sei aber kaum gelungen.
RÜDIGER HACHTMANN
(Potsdam) rückte mit den Funktionseliten und deren
informellen
Netzwerken eine zweite soziale Gruppe in den Mittelpunkt.
Sein Vortrag
konzentrierte sich auf institutionelle Orte, an denen sich
Mitglieder der
traditionellen Elite und der neuen NS-Elite regelmäßig
trafen. Dabei
hätten die Begegnungen vor allem zu einer Anpassung der
neuen NS-Elite an
traditionelle Verhaltensweisen und Manieren geführt,
während die
nationalsozialistische Prägung der traditionellen Elite
gering geblieben
sei. Deren Engagement für nationalsozialistische Ziele
sei durch die radikalnationalistische,
bellizistische Prägung im
Spätwilhelminismus
zu erklären. Den Befund einer vom Nationalsozialismus
nur wenig
veränderten Elite stützte auch JOHANNES HÜRTER (München) mit
seinem Vortrag
über die Heeresgeneralität. Die soziale Öffnung und
Modernisierung
des Offizierskorps habe sich auf die Generalität kaum
ausgewirkt.
Daneben fragte er nach deren Einstellung zur
"Volksgemeinschafts"-Idee,
die insbesondere in den 1930er-Jahren als
Vision einer von
inneren Spannungen befreiten Nation - die rassische
Exklusion sei dem
Konzept nicht zugerechnet worden - innerhalb der
Heeresgeneralität
konsensfähig gewesen sei. Das Anknüpfungspotenzial der
"Volksgemeinschafts"-Idee
unterstrich auch FRIEDRICH WILHELM GRAF
(München) in
seinem Vortrag über das Verhältnis von Religion und
Nationalsozialismus.
Beide Wortbestandteile "Volk" und "Gemeinschaft"
hätten für
Theologen zahlreiche Anschlussmöglichkeiten geboten.
Entsprechend habe
die Revolution 1933 eine breite Projektionsfläche für
vielfältige
Erwartungen von Theologen dargestellt, die bis zur Hoffnung
auf eine
weitreichende Rechristianisierung - bei gleichzeitiger
Distanzierung von
zentralen Elementen der NS-Ideologie - gereicht
hätten.
ナチスの政策とドイツ社会の認識(ドイツ社会の中の意識の多様性・非対称性)
「強制収容所」について、どこまで民衆が知っていたのか?
Eine dritte
Gruppe von Vorträgen fragte breiter nach der Wahrnehmung der
NS-Politik und
der Einstellung der gesamten Gesellschaft. Vor allem
NIKOLAUS
WACHSMANN (London) betonte jedoch bei seiner Analyse der
Perzeption der
Konzentrationslager in den 1930er-Jahren, dass diese für
unterschiedliche
soziale Gruppen und verschiedene Zeitpunkte
differenziert
bewertet werden müsse. Mit Hilfe der Unterscheidung von
offiziellem und
privatem Wissen konnte er zeigen, dass es 1933 ein
umfangreiches
-sozial und regional differenziertes - privates Wissen
über die Lager
gab. Ende der 1930er-Jahre sei dieses auf soziale Gruppen
am Rande der
Gesellschaft begrenzt gewesen, so dass dem offiziellen Bild
der Lager eine
größere Bedeutung beigekommen sei.
ナチスの消費政策とそれに関しての民衆意識は?
「未来の民族的消費社会の約束」とこれに対する民衆の期待・失望の両側面
BIRTHE KUNDRUS
(Hamburg) fragte
in ihrem Vortrag nach der gesellschaftlichen
Wahrnehmung der
nationalsozialistischen Konsumpolitik. Sie vertrat dabei
die These, dass
die Nationalsozialisten gerade den sozialutopischen
Charakter des Konsums genutzt hätten, um ihrer Vision der
"Volksgemeinschaft"
Plausibilität zu verleihen und Loyalität gegenüber
dem Regime
herzustellen. Allerdings sei das Versprechen einer
zukünftigen "völkischen
Konsumgemeinschaft"
ambivalent geblieben und
habe stets die
Gefahr der Enttäuschung geboten. Entsprechend sei ein
ausgefeiltes
Krisenmanagement notwendig gewesen, das auf die sich
wandelnden Konsumentenerwartungen
reagiert habe, wie Kundrus am Beispiel
des
Familienunterhaltes während des Krieges zeigte.
心理的な時期区分の提唱・・・「1941年12月から1944年12月」・・・「長い中間局面」
「希望と不安の往復運動」の時期
NICK STARGARDT
(Oxford) befasste
sich in seinem Vortrag mit der gesellschaftlichen
Legitimität des Krieges und schlug dabei eine neue psychologische
Periodisierung vor. Er konzentrierte sich dann auf die vom
Dezember 1941
bis zum Dezember
1944 reichende lange
Mittelphase des Krieges, in der
dessen Ende nicht
mehr erwartbar, die Selbstaufopferung aber auch noch
nicht sinnlos
gewesen sei. Diese Phase sei nicht durch einen linearen
Niedergang der
Kriegszustimmung gekennzeichnet gewesen, sondern durch
wellenartige Pendelbewegungen zwischen
Hoffnung und Angst, wobei
militärische
Krisen funktional gewirkt hätten, da sie bestehende
Erwartungen
zerstört und Raum für neue Hoffnungen eröffnet hätten. An
zwei Beispielen
exemplifizierte Stargardt, dass gerade aus dem Gefühl
der
Machtlosigkeit ein noch radikalerer Einsatz für den Krieg erwachsen
sei.
Während die
bisher behandelten Vorträge vor allem die Einstellung der
deutschen
Bevölkerung und damit die mentale Integration der deutschen
Gesellschaft in
den NS-Staat untersuchten, richtete eine vierte Gruppe
von Vorträgen das
Augenmerk auf die funktionale Integration der
Gesellschaft
durch soziale Praxis.[6] DETLEF SCHMIECHEN-ACKERMANN
(Hannover) machte
sich in seinem Vortrag für die "Volksgemeinschaft" als
analytisches
Konzept stark, das auf den Prozess der Herstellung von
"Volksgemeinschaft"
und die mit diesem verbundenen Praktiken verweise.
Anhand
verschiedener Beispiele der sozialen und politischen Kontrolle
unterstrich er,
dass sich die Produktion von "Volksgemeinschaft" nicht
in einem
top-down-Modell, sondern in sozialen Praktiken vollzogen habe.
ARMIN NOLZEN
(Bochum) identifizierte bei der NSDAP grundsätzlich sechs
"operative
Praktiken", von denen er die Praxis der Erfassung, der
weltanschaulichen
Schulung und der sozialen Hilfe genauer betrachtete.
Innerhalb dieser
sei der Vision der "Volksgemeinschaft" eine zentrale
Bedeutung
zugekommen, deren Verwendung (Selbst)Bindekräfte zwischen
NSDAP und
Gesellschaft produziert habe. Auf diese Weise versuchte
Nolzen,
Anschlussmöglichkeiten für eine systemtheoretisch informierte
Gesellschaftsgeschichte
des NS-Staats zu eröffnen und plädierte dabei
für eine größere
Beachtung der Rolle von Organisationen. NICOLE KRAMER
(Potsdam)
interessierte sich in ihrem Vortrag über die Mobilisierung von
Frauen im
Weltkrieg für die durch soziale Praxis entstandene
Verflechtung von
NS-Herrschaft und Gesellschaft. Auch sie betonte die
Bedeutung von
Organisationen, insbesondere der Nationalsozialistischen
Volkswohlfahrt
und des Luftschutzes, die als politische
Kommunikationsnetze
sowohl Propaganda "von oben" in die Gesellschaft
getragen,
gleichzeitig aber auch Möglichkeiten zur Artikulation von
Unzufriedenheit
"von unten" geboten hätten. Mit einer Typologie von
Verhaltensweisen
betonte Kramer, dass weibliche Überlebensarbeit im
Krieg keine
Privatsache geblieben, sondern in ein Beziehungsgeflecht von
Herrschaft und
Gesellschaft eingebettet gewesen sei. Die NSDAP und
andere
Organisationen des Nationalsozialismus spielten auch in dem
Vortrag von
DIETER POHL (München) eine Rolle, der sich mit der Ent- und
Ermächtigung der
Gesellschaft auseinandersetzte. Obwohl die
Gleichschaltung
1933 zur Entmachtung weiter Teile der Gesellschaft
geführt habe,
könne nicht von einer stillgestellten Gesellschaft
gesprochen
werden. Insbesondere durch die Expansion des
Funktionärswesens
und die Eroberungen des Krieges seien zahlreiche neue
Machtpositionen
geschaffen worden, die den Handlungsspielraum der
Gesellschaft -
innerhalb der Grenzen des Regimes - erweitert hätten.
Pohl betonte,
dass diese neuen "Unterführer" ihre Aufgabe mehrheitlich
im Sinne des
Regimes erfüllten, ohne sich mit diesem ideologisch zu
identifizieren.
Gleichzeitig verwies er darauf, dass diese
Ermächtigungen
sowohl integrierend wie auch desintegrierend hätten
wirken können.
Das Verhältnis von Ideologie und sozialer Praxis
thematisierte
FRANK BAJOHR (Hamburg), der dafür plädierte,
gesellschaftliches
Engagement nicht an individuellen Haltungen, sondern
am konkreten
Verhalten zu messen. Er betonte dabei die Bedeutung
individueller
Interessen für die Beteiligung an nationalsozialistischen
Herrschaftspraktiken
und folgerte, dass sich gesellschaftliche
Integration im
Nationalsozialismus weniger durch ideologische Konversion
als durch
gesellschaftliche Praxis vollzogen habe. Unabhängig von den
Einstellungen
einzelner Akteure hätten diese in ihrem Verhalten an der
Herstellung der
sozialen Hierarchien der "Volksgemeinschaft" mitgewirkt.
Dass eine Analyse
von Praktiken aber auch zu einem besseren Verständnis
der NS-Ideologie
beitragen kann, zeigten die Überlegungen von LUTZ
RAPHAEL (Trier).
Raphael plädierte dafür, weniger die Wirkung, als
vielmehr die
Organisation und Produktion der NS-Ideologie in den
Mittelpunkt der
Forschung zu rücken. Diese müsse man sich als ein Feld
von Ideen
vorstellen, das anschlussfähig an zahlreiche Ordnungsentwürfe
gewesen sei und
nicht als Set fester Glaubensgrundsätze. Dieses
"Weltanschauungsfeld",
in dem "Volksgemeinschaft" einen wichtigen
Begriff
darstelle, habe den Raum des Sag- und Denkbaren gebildet und
innerhalb dieser
Grenzen durchaus Pluralismus und inhaltliche
Differenzen
erlaubt. Mit diesem diskursiven Feld hätten sich spezifische
Praktiken der
Teilhabe, insbesondere von Experten, wie auch
Einprägungstechniken
verbunden, die etwa die NS-Lagerpädagogik genutzt
habe.
Eine letzte
Gruppe von Vorträgen ergänzte diese stark auf die NS-Zeit
fokussierten
Beiträge um längerfristige Perspektiven. ANDREAS WIRSCHING
(Augsburg) rückte
die Interaktion von privater und öffentlicher Sphäre
zwischen den
1920er- und 1940er-Jahren in den Mittelpunkt, der er
besondere
Bedeutung zum Verständnis der sozialen und kulturellen
Funktion der
"Volksgemeinschafts"-Idee beimaß. Zentrales Motiv dieser
Interaktion sei
die Sehnsucht nach "Normalität" und "privatem Glück"
gewesen, die sich
aus dem Gefühl gespeist habe, individuelle Lebenswege
seien blockiert.
Nicht nur politisch, sondern gerade auch privat hätten
sich die
Deutschen schon vor 1933 als "Opfergemeinschaft" wahrgenommen,
die durch
"Kampf" überwunden werden müsse. Der Erfolg des
Nationalsozialismus
habe zentral auf dieser Denkfigur gegründet, die er
gerade über seine
Vision der "Volksgemeinschaft" angesprochen habe.
Diese habe
paradoxerweise gleichzeitig zu einer Stärkung der
Privatsphäre wie
zur massiven Mobilisierung gegen äußere und innere
Feinde während
der NS-Herrschaft beigetragen. ULRICH HERBERT (Freiburg)
untersuchte
anhand fünf verschiedener Faktoren den Übergang vom
Nationalsozialismus
in die Bundesrepublik. Er richtete den Blick auf die
Sozialstruktur
sowie insbesondere auf die Erfahrungen der Zeitgenossen
und deren
Relevanz für die politische Transformation. Die Erfahrungen
insbesondere der
Kriegszeit hätten - neben der Stärkung von sozialer
Mobilität und
Individualisierung - vor allem Erwartungen an Stabilität
und
Rechtsstaatlichkeit produziert, die von der Bundesrepublik
schließlich
eingelöst worden seien. In einer vergleichenden Perspektive
betonte Herbert,
dass sich ähnliche Entwicklungen in vielen europäischen
Gesellschaften
vollzogen und somit die Nationalsozialisten die
langfristige
Entwicklung Deutschlands nicht beeinflusst hätten. RICHARD
BESSEL (York)
fragte in seinem Vortrag nach den Nachwirkungen der
"Volksgemeinschaft"
im Übergang zur DDR. Anstatt Solidarität und soziale
Harmonie zu
stärken, habe die Kriegsendphase zu sozialer Isolation und
Selbstmitleid
geführt und nur den Glauben hinterlassen, Teil einer
"Opfergemeinschaft"
zu sein. Dementsprechend betonte Bessel, dass
Vergemeinschaftungsformen
nach 1945 nicht direkt in der
"NS-Volksgemeinschaft"
gründeten und erhebliche Unterschiede zur
Vergemeinschaftung
in der DDR bestünden. Allerdings habe sich, trotz der
Unmöglichkeit
einer öffentlichen Thematisierung, das Bewusstsein der
"Opfergemeinschaft"
auch in der DDR im Privaten erhalten, was zu einer
Spaltung des
Gemeinschaftssinns in einen öffentlichen und einen privaten
Teil geführt
habe.
Schon die an den
Fragerichtungen orientierte Vorstellung der Vorträge
macht deutlich,
dass der Begriff "Volksgemeinschaft" auf der Konferenz
durchaus
unterschiedlich verwendet wurde. Auch IAN KERSHAW (Sheffield)
identifizierte in
seiner Keynote Lecture drei sich überlappende
Verwendungsweisen
des "Volksgemeinschafts"-Konzeptes, mit dem sowohl
nach sozialem
Wandel, nach der affektiven Integration der Bevölkerung
als auch der
Dialektik von Inklusion und Exklusion gefragt werde. Auch
wenn das Konzept
Erklärungskraft mit Blick auf die gesellschaftliche
Mobilisierung
während des Nationalsozialismus besitze, sei der Begriff
insgesamt
"kein Geschenk" und mit verschiedenen Problemen verbunden.
Diese wurden auch
in den Diskussionen immer wieder angesprochen. Etwa
blieb die
temporale Reichweite des Konzeptes in den Diskussionen
ungeklärt:
Während Kershaw den Fokus auf die 1930er-Jahre herausstellte,
spielte gerade
die Kriegsphase in zahlreichen Vorträgen eine
entscheidende
Rolle. Zudem argumentierte CHRISTOPHER BROWNING (Illinois)
in seinem
Vortrag, dass durch eine doppelte Transformation Verbindungen
zwischen der Idee
der "Volksgemeinschaft" und dem Holocaust bestanden:
In ideologischer
Hinsicht sei die Umformung des "Geistes von 1914" in
ein exklusiv
gedachtes "Volksgemeinschafts"-Konzept zentral gewesen.
Zudem habe die
Transformation der "Volksgemeinschaft" in die
"Kampfgemeinschaft"
des Krieges entscheidend zu Feindbildkonstruktionen
beigetragen, so
dass die Täter des Holocaust das Töten als notwendig für
die Bewahrung der
"Volksgemeinschaft" begreifen konnten. Allerdings war
man sich einig,
dass die Vernichtung der europäischen Juden nicht
alleine mit dem
Verweis auf die "Volksgemeinschaft" erklärt werden
könne.
Insbesondere Hans Mommsen (Bochum) wies auf die Gefahr hin, die
politischen
Entscheidungsprozesse aus dem Blick zu verlieren. In
umgekehrter
Perspektive bestätigte dies THOMAS SCHAARSCHMIDT (Potsdam),
der die Rolle der
NS-Gaue bei der Kriegsmobilisierung gegenüber der
älteren These
einer dysfunktionalen und selbstzerstörerischen
Gaukonkurrenz
betonte, und in seinem stark auf das politische System
konzentrierten
Vortrag der "Volksgemeinschaft" kaum Beachtung schenkte.
Besonders
kontrovers wurde jedoch die Frage diskutiert, inwieweit dem
"Volksgemeinschafts"-Konzept
eine moralisierende Dimension innewohne.
Auf der einen
Seite stand der insbesondere von Friedrich Wilhelm Graf
und Ulrich
Herbert erhobene Vorwurf, mit dem Begriff werde die gesamte
Bevölkerung zu
"Tätern" gemacht, indem man behaupte, alle Deutsche seien
zu "Volksgenossen"
geworden. Dem wurde etwa von Frank Bajohr und Armin
Nolzen
entgegengehalten, dass die funktionale Integration durch soziale
Praktiken mit
ganz unterschiedlichen Motivationen und Überzeugungen
einhergehen
konnte. Dass ein einfacher Moralisierungsvorwurf zu kurz
greift,
verdeutlichten die gerade auch wegen ihrer moralischen Qualität
überzeugenden
Vorwürfe von Ulrich Herbert und Birthe Kundrus, das
"Volksgemeinschafts"-Konzept
unterschlage die "Gerechten", also jene,
die versucht
hätten, sich vom Nationalsozialismus zu distanzieren,
ebenso wie die
Erfahrungen und Perspektiven der Ausgegrenzten. Letztlich
scheinen hinter
dem Moralisierungsvorwurf grundsätzlichere Fragen nach
den Bedingungen
individuellen Handelns und subjektiver Identität in
Diktaturen und
unseren Kriterien zu deren Bewertung zu stehen. Mary
Fulbrook (London)
wies auf grundlegende Ähnlichkeiten zur DDR hin und
plädierte dafür,
ein breiteres theoretisches Konzept zu entwickeln, das
nach den
Bedingungen von Verhalten und dessen Rationalisierung durch die
Akteure in
Diktaturen fragt. Wie dabei mit uneindeutigen
Verhaltensweisen
und multiplen Identitäten, auf die insbesondere Bernd
Weisbrod
(Göttingen) hinwies, angemessen umgegangen werden kann und
woran Verantwortlichkeit
für individuelles Verhalten festgemacht werden
muss - an den
diktatorischen Rahmenbedingungen, am Verhalten selbst, an
der inneren
Einstellung, der subjektiven Identität - bleiben wohl in
Zukunft weiter zu
diskutierende Fragen. Ob "Volksgemeinschaft" dabei die
Rolle eines
Konzeptes oder eines wichtigen Gegenstands der NS-Forschung
spielen sollte,
wurde nicht minder kontrovers diskutiert und blieb bis
zum Schluss
offen. Insbesondere Ulrich Herbert und Mary Fulbrook machten
sich dafür stark,
konsequent zwischen Analysemitteln und
Untersuchungsgegenstand
zu trennen. "Volksgemeinschaft" als ein
analytisches
Konzept zu begreifen, berge die Gefahr zirkulärer
Argumentationen
in sich. Zudem fehle es dem Konzept an analytischer
Kraft, da es
potenziell jede Verhaltensweise als Partizipation begreife
und
Differenzierungen damit verloren gingen. Statt von der
"Volksgemeinschaft"
auszugehen, sollten konkrete Fragen an den Anfang
der Forschung
gerückt werden. Dem wurde deutlich widersprochen, etwa von
Detlef
Schmiechen-Ackermann, der argumentierte "Volksgemeinschaft" sei
kein zirkuläres
Konzept, weil es auch die Analyse der Eruption
gesellschaftlicher
Zustimmung erlaube. Und doch zeigten die sich für den
"Volksgemeinschafts"-Ansatz
aussprechenden Statements von Winfried Süß -
der den Begriff
als "Organisator von Aufmerksamkeit" verstanden wissen
wollte, von dem
aus konkrete Fragen entwickelt werden müssten - und
Andreas Wirsching
- der dessen heuristisches Potenzial betonte, wenn der
Begriff um
konkrete Fragen ergänzt würde - gerade in diesem Punkt eine
vorsichtige
Annäherung der Positionen. Auch Martina Steber und Bernhard
Gotto machten
sich in ihrer abschließenden Zusammenfassung zwar für den
"Volksgemeinschafts"-Ansatz
stark, sprachen jedoch nur noch von einem
"Begriff
mittlerer Reichweite". Trotz der zwischenzeitlich ungewöhnlich
heftigen
Diskussionen wird diese Konferenz damit vielleicht einmal -
anders als ihre
Vorgängerin 1979 - nicht wegen ihrer polarisierenden
Wirkungen,
sondern durch die Eröffnung von Möglichkeiten zur weiteren
Verständigung in
Erinnerung bleiben.[7]
Konferenzübersicht:
Panel 1: Distinctions in Nazi Society
Section 1:
Christopher Browning (UNC, Chapel Hill): The Holocaust: Basis and
Objective of the Volksgemeinschaft?
Nikolaus Wachsmann (London): Volksgemeinschaft-Policy against the
People? Acceptance and Scope of National-Socialist Exclusionary Policy
until 1939
Johannes Hürter (München): Egalitarianism or the "New Masters"?
Comments by Anthony McElligott (Limerick)
Section 2:
Claus-Christian Szejnmann (Loughborough): Race Trumps Class?
Winfried Süß (Potsdam): Old and New Social Inequalities
Elizabeth Harvey (Nottingham): Comrades or rivals: women and men in the
expanding
Volksgemeinschaft
Friedrich Wilhelm
Graf (München): Religion in the Volksgemeinschaft
Comments by Peter Fritzsche (Illinois)
Keynote Lecture:
Sir Ian Kershaw (Sheffield): Volksgemeinschaft: Potential and
Limitations of the Concept
Panel 2: Factors of Cohesion
Section 1:
Dieter Pohl (München): The Diffusion of Power and Participation in the
Totalitarian Führer State
Frank Bajohr (Hamburg): Ideology and Interest. Some Reflections on the
Mechanisms of Social Integration
Jill Stephenson (Edinburgh): 'The Problems of Permeability: The
Persistence of Traditional Attitudes in Württemberg Villages
Comments by Mary Fulbrook (London)
Section 2:
Lutz Raphael (Trier): One Führer, Many Ideologies? Variants and
Adaptation Processes
Willi Oberkrome (Freiburg): National Socialist blueprints for rural
communities and their resonance in agrarian society
Nick Stargardt (Oxford): The Problem of German Morale in the Second
World War
Nicole Kramer (München):
Mechanisms and Forms of Solidarity. Women and
the
Volksgemeinschaft in War
Comments by Neil Gregor (Southampton)
Panel 3: Mechanisms of Social Change
Section 1:
Rüdiger Hachtmann (Berlin): Social Change through Changes of the Elites?
The Self-Mobilization of Functional Elites
Birthe Kundrus (Hamburg): Greasing the Palm of the Volksgemeinschaft?
Consumption during National Socialism
Thomas Schaarschmidt (Potsdam): Regionalisation as a Means of Mobilizing
German Society for War
Comments by Jeremy Noakes (Exeter)
Section 2:
Detlef Schmiechen-Ackermann (Hannover): The Making of the
Volksgemeinschaft: Social Control and (Self-) Mobilization
Axel Drecoll (München): Social Change through Administrative Acts (wegen
Krankheit entfallen)
Michael Wildt (Hamburg): Violent Changes of Society - Social Changes
through Violence
(wegen Krankheit entfallen)
Armin Nolzen (Bochum): NSDAP: Arena of the Practised Volksgemeinschaft?
Comments by Jane Caplan (Oxford)
Panel 4: Nazi Society in the context of the twentieth century
Andreas Wirsching (Augsburg): Change and Discontinuities from the 1920s
until the 1940s
Ulrich Herbert (Freiburg): From the Nazi Regime to the Federal Republic.
Some Elements of Continuity and Change
Richard Bessel (York): From the Nazi Regime to the GDR - Continuity and
Change
Comments by Horst
Möller (München)
Anmerkungen:
[1] Gerhard
Hirschfeld / Lothar Kettenacker (Hrsg.), Der "Führerstaat":
Mythos und
Realität. Studien zur Struktur und Politik des Dritten
Reiches,
Stuttgart 1981.
[2] Die Begriffe "Intentionalisten"
und "Funktionalisten" prägte Timothy
Mason auf dieser
Konferenz.
[3] Vgl. den
Bericht von Karl Heinz Bohrer, Hitler oder die Deutschen.
Englisch-deutsche
Historikerkonferenz über das Dritte Reich, in:
Frankfurter
Allgemeine Zeitung vom 25.5.1979, S. 23 sowie die
Auseinandersetzung
um den Tagungsbericht von Klaus Hildebrand:
Nationalsozialismus
ohne Hitler? Das Dritte Reich als
Forschungsgegenstand
der Geschichtswissenschaft, in: Geschichte in
Wissenschaft und
Unterricht (1980), S. 289-304 in den Zeitschriften
Geschichtsdidaktik
(1980), S. 325-327 sowie (1981), S. 233-238 und
Geschichte in
Wissenschaft und Unterricht (1981), S. 197-204, 738-743.
[4] 1. Zitat:
Bohrer, Hitler oder die Deutschen. 2. Zitat: Klaus
Hildebrand,
Nationalsozialismus ohne Hitler, S. 295. Vgl. auch Lothar
Kettenacker,
Sozialpsychologische Aspekte der Führer-Herrschaft, in:
Hirschfeld /
Ders. (Hrsg.), Der "Führerstaat", S. 98-132, insbesondere
S. 111-118.
[5] Allerdings
hatte Martin Broszat auf der Konferenz darauf
hingewiesen, dass
"die propagandistisch so betonte Einheit [...] der
'Volksgemeinschaft'
zerfiel [...] in ein zunehmendes Chaos von
Partikulargewalten".
(Wolfgang J. Mommsen, Einleitung, in: Hirschfeld /
Kettenacker
(Hrsg.), Der "Führerstaat", S. 9-19, hier S. 18.)
[6] Zu dieser
Gruppe von Vorträgen hätte auch der Beitrag von Michael
Wildt über den
Zusammenhang von Gewalt und sozialem Wandel gehört, der
jedoch wegen
Krankheit leider entfallen musste.
[7] Dazu wird
vielleicht auch der geplante englischsprachige Tagungsband
beitragen können.
URL zur Zitation
dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=3121>
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